Hidden Revenue – die Welt der kostenlosen Produkte

Gerade letzte Woche war ich mit einem handwerklichen Problem in meiner Wohnung beschäftigt. Aus Tradition schaute ich mir dazu erst einmal ein hilfreiches Video auf YouTube an und war mir danach sicher, für die Aufgabe gewappnet zu sein. Aber wie kommt es, dass YouTube solch eine gigantische Flut an Videos zu jedem möglichen Thema komplett kostenlos bereitstellen kann?

Dabei findet das Geschäftsmodellmuster Hidden Revenue Anwendung. Bei diesem erzeugen Unternehmen ihren Hauptumsatz üblicherweise nicht durch den Verkauf von Produkten oder Dienstleistungen an einen Kunden, sondern durch die Bereitstellung und den Verkauf von Werbeflächen an andere Unternehmen [1].

Wer nutzt Hidden Revenue?

Ich nehme an jedem von euch fallen einige Beispiele im Internet ein, bei denen diese Art von Umsatzgenerierung genutzt wird. Mir kommen beispielsweise direkt Google, YouTube und Facebook in den Sinn, bei denen im Grunde genommen zu jederzeit an irgendeiner Stelle auf der Website Werbung zu sehen ist. Dies sind allerdings relativ neue Unternehmen.

Schaut man einmal abseits der verhältnismäßig jungen Internetlandschaft, gibt es ebenso alteingesessene Unternehmen, welche durch dieses Prinzip ihre Brötchen verdienen.

Beispiel: JSDecaux

Gerade wenn mal wieder eine Fahrt mit dem Bus in die Stadt an der Tagesordnung steht, fallen einem die großen Werbetafeln an den Bushaltestellen auf. Diese werden unter anderem von Unternehmen wie JCDecaux aufgestellt, die sich im Gegenzug dazu verpflichten, diese Haltestellen zu pflegen und zu warten. Die Finanzierung findet über die Einnahmen aus dem Verkauf der Werbeflächen statt [2].

Somit muss die Stadt für die Pflege der Haltestellen kein Geld ausgeben und der Fahrgast lediglich den Anblick einer Werbetafel ertragen, um die Möglichkeit zu haben sich beim Warten hinzusetzen; falls man seine Augen überhaupt mal vom Smartphone abwenden sollte.

Fällt die Wahl hingegen auf das Auto, um in die Stadt zu gelangen, wird während der Fahrt wahrscheinlich ein Radiosender laufen. Die meisten herkömmlichen Radiosender erwirtschaften ihre Einnahmen durch den Verkauf von Werbezeit [3].

Meiner Meinung nach ergibt dies Sinn, da ich persönlich kein Geld für das Hören eines Radiosenders zahlen und mir tatsächlich lieber abertausende Male anhören würde, wie eine Stimme das Seitenbacher Bergsteiger Müsli bewirbt.

Mit dieser Meinung stehe ich wahrscheinlich nicht allein da. Denn ein wichtiger Vorteil des Geschäftsmodells Hidden Revenue ist eben, dass der Kunde das angebotene Produkt günstiger oder, wie eben aufgezeigt, komplett kostenlos erhält. Dadurch nehmen mehr Menschen das Angebot in Anspruch, wodurch im Gegenzug die verkaufte Werbefläche wertvoller wird, da Menschen sie öfter wahrnehmen [1].

Ihr seht also, dass diese Vorgehensweise zur Umsatzgenerierung in vielen verschiedenen Geschäftsfeldern vertreten ist und auch schon seit geraumer Zeit existiert.

Lohnt sich das?

Dass das unglaublich gut funktionieren und sich lohnen kann, zeigt unter anderem Google mit einem Gesamtumsatz von 182,5 Milliarden USD im Jahre 2019. Davon stammen stolze 146,92 Milliarden USD von Werbeumsätzen, was ungefähr 80 % entspricht [4].

Weiterhin ist beispielsweise JCDecaux ein Unternehmen, welches seinen Umsatz hauptsächlich aus dem Verkauf von Werbeflächen in der realen Welt erwirtschaftet. Das französische Unternehmen hatte im Jahr 2019 einen Umsatz von 3,89 Milliarden Euro. Der größte Anteil davon stammte aus dem Verkauf von Werbeflächen auf eigens aufgestellten Stadtmöbeln, wie beispielsweise Haltestellensäulen [5].

Das beweist, dass sich das Geschäftsmodell Hidden Revenue auf jeden Fall lohnen kann, solange genügend Menschen die platzierte Werbung letztendlich wahrnehmen. Aber so ist das natürlich bei so gut wie jedem Geschäftsmodell: Wenig Kunden, wenig Einnahmen.

Früher war alles besser

Dieses Konzept hört sich im ersten Moment nach einer klassischen win-win-Situation an. Jedoch gibt es seit einiger Zeit die Entwicklung das Geschäftsmodell Hidden Revenue profitabler zu gestalten, bei der der Kunde nicht mehr unbedingt als ein Gewinner hervorgeht. Diese Entwicklung wird hauptsächlich durch große Internetgiganten wie Facebook und Google vorangetrieben, die ihren Hauptumsatz durch den Verkauf von Werbeflächen auf Websites erzeugen.

Morpheus Meme (Eigene Darstellung)

Es existieren schon lange Erkenntnisse darüber, wie effektiv Targeted Advertising, also zielgerichtete Werbung ist [6]. Dabei ist von großem Vorteil, so viel wie möglich über die Personen zu wissen, die letztendlich die Werbung zu Gesicht bekommen. Hier kommen die eben erwähnten Internetgiganten ins Spiel. Diese sammeln seit geraumer Zeit massenweise Daten über ihre Nutzer, um sie zu verwerten und Nutzerprofile anzufertigen [7].

Hier ist beispielsweise ein kleiner Auszug aus dem Profil, welches Google über mich angelegt hat.

Interessengruppen (Eigene Darstellung)

Nehmen wir an, dass Google ihre Werbeflächen an mehrere Unternehmen verkauft. Dann werden die Interessengruppen herangezogen, um einem Nutzer genau die Werbung von dem Unternehmen zu zeigen, welche mit seinen Interessen übereinstimmt.

Durch diese gezielte Auswahl der angezeigten Werbung können mit dem Geschäftsmodell Hidden Revenue höhere Einnahmen generiert werden, da personalisierte Werbung für Unternehmen, die ihre Werbung anzeigen lassen möchten, äußerst Erfolg versprechend ist [8].

Diese Vorgehensweise wird allerdings von vielen, mir persönlich eingeschlossen, als überaus kritisch gesehen [9]. Würden die Daten, wie oft verkündet, allein genutzt werden, um personalisierte Werbung anzuzeigen, wäre mir das ganze nicht so ein Dorn im Auge. Es ist allerdings bewiesen, dass gesammelte Daten immer mal wieder abhandenkommen oder, wenn der passende Moment eintrifft, einfach weitergegeben werden [10].

Einfach tiefer in die eigene Tasche greifen

Natürlich könnte man aufhören Internetangebote zu nutzen, die auf dem Geschäftsmodell Hidden Revenue basieren, und für genutzte Produkte oder Dienstleistungen den vollen Preis zahlen. Jedoch muss ich ebenso eingestehen, dass beispielsweise Suchergebnisse von Google, oftmals besser sind als von konkurrierenden Suchmaschinen, die auf eine andere Art und Weise ihren Umsatz generieren.

Ebenso ist es gerade als Student bequem und zuvorkommend Produkte zu nutzen, die sehr günstig oder gar kostenlos sind, auch wenn man gerne ab und an 5 Euro an Wikipedia spendet, damit die Seite weiterhin existieren kann (selbst wenn das wahrscheinlich nicht einmal notwendig ist [11]).

Deswegen wäre es für mich trotz meiner Bedenken, derzeit keine Option komplett auf Services zu verzichten, die ihre Einnahmen größtenteils über den Verkauf von Werbeflächen generieren und dabei noch meine Daten sammeln.

Ein fauler Apfel verdirbt nicht den ganzen Korb

Schlussendlich trifft diese Problematik nur auf spezifische Unternehmen zu, die Hidden Revenue nutzen. Deswegen möchte ich nicht das komplette Geschäftsmodell anprangern, da ich das Geschäftsmodell in der Rolle eines Kunden im Prinzip sehr gut finde. Ich hoffe einfach, dass die Werbetafel an der Bushaltestelle in Zukunft nicht irgendwann nach meinen Interessen fragen wird.

Wie seht Ihr das Konzept? Nutzt Ihr noch Facebook, Google und Konsorten. Oder seid ihr beispielsweise auf DuckDuckGo umgestiegen? Ich freue mich über eure Meinungen in den Kommentaren.

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Quellen

[1] O. Gassmann, K. Frankenberger, M. Csik, Geschäftsmodelle entwickeln: 55 innovative Konzepte mit dem St. Galler Business Model Navigator, 2. Auflage, München, Carl Hanser Verlag, 2017

[2] https://invidis.de/2014/07/aussenwerbung-jcdecaux-vermarktet-clps-in-koeln-fuer-15-jahre/ (zugegriffen Juli 09, 2021)

[3] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/75168/umfrage/werbeinvestitionen-nach-radiosender-in-deutschland/ (zugegriffen Juli 09, 2021)

[4] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/75188/umfrage/werbeumsatz-von-google-seit-2001/ (zugegriffen Juli 09, 2021)

[5] https://invidis.de/2020/01/dooh-jcdecaux-steigert-umsatz-2019-um-75/ (zugegriffen Juli 09, 2021)

[6] http://faculty.haas.berkeley.edu/giyer/index_files/tgtadv.pdf (zugegriffen Juli 09, 2021)

[7] https://www.pcwelt.de/news/Milliarden-Sammelklage-gegen-Google-wegen-Inkognito-Modus-10821758.html (zugegriffen Juli 09, 2021)

[8] https://blog.hubspot.de/marketing/personalisierte-werbung (zugegriffen Juli 09, 2021)

[9] https://www.deutschlandfunk.de/facebook-und-google-was-die-datensammler-ueber-uns-wissen.697.de.html?dram:article_id=415879 (zugegriffen Juli 09, 2021)

[10] https://netzpolitik.org/2018/cambridge-analytica-was-wir-ueber-das-groesste-datenleck-in-der-geschichte-von-facebook-wissen/

[11] https://medium.com/illumination/wikipedia-is-rolling-in-wealth-then-why-does-it-keep-asking-us-for-donations-fe92e7fb3759 (zugegriffen Juli 09, 2021)

Titelbild: https://pixabay.com/de/photos/bushaltestelle-schnee-coke-207302/ (zugegriffen Juli 09, 2021)

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